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Κυριακή 19 Απριλίου 2009

Jürgen Klinsmann

Der Feind vieler
Von Oliver Fritsch

Die Kritik an Bayern-Coach Klinsmann ist feindselig und von einem antiamerikanischen Ton begleitet. Die Frage nach seiner Eignung als Klubtrainer bleibt auf der Strecke.
Jürgen Klinsmann hat Recht: Deutsche Fußballvereine müssen sich was einfallen lassen, wenn sie wieder mal ein Champions-League-Finale erreichen wollen. Englische und spanische Klubs, zumindest die großen, spielen schneller und genauer. Und das liegt nicht nur am Geld. Klinsmann weiß das, und er spricht es aus. Damit macht man sich im konservativen Fußball-Milieu Feinde. Und Klinsmann hat viele davon. In allen Lagern.

Eine Frage bleibt unbeantwortet: Ob er seine Erkenntnisse auch umsetzen kann? Denn die Mühe, seine Facharbeit auf den Prüfstand zu stellen und konkrete Fragen zu seinem Trainingsstil zu stellen, macht sich so gut wie niemand. Auch über das Binnenverhältnis Vereinsführung/Trainer/Aufsichtsrat ist wenig bekannt. Stattdessen viel Meinung und Gemunkel.

Stattdessen auch persönliche und ätzende Kritik. Etwa in der FAZ, dort sind Klinsmanns Ankündigungen, mit denen er 2008 antrat, "Lehrsätze eines schlechten Unternehmensberaters", er selbst ein "angeblicher Visionär ohne klare Vorstellungen", ein "Investmentbanker"; die FR sagt ihm "vulgäres Managertum" nach. Diese Vokabeln sind Wirkungstreffer in dieser Zeit.

Auch vor der WM 2006 hatte sich ein antiamerikanischer Unterton in die Kampagne gegen den "Kalifornier" eingeschlichen, die von der Bild-Zeitung angeführt wurde. Heute sagt FCB-Aufsichtsrat Edmund Stoiber über Klinsmanns Arbeit: "Das ist sehr ernüchternd und sehr amerikanisch."

In diesem Klub der Mächtigen und Reichen scheint es viele zu geben, die was zu sagen haben. So soll sich der Aufsichtsrat gegen Jens Lehmann, den angeblichen Torwart-Kandidaten Klinsmanns, erfolgreich gewehrt haben. Während also die Expertenwelt die Modelle Arsenal, Manchester United, Wolfsburg und Hoffenheim preist, bei denen die Trainer alleine oder maßgeblich die sportliche Linie bestimmen, redet in München der Aufsichtsrat dem Trainer rein. Plus Uli Hoeneß, plus Karl-Heinz Rummenigge, plus Franz Beckenbauer.

Die Torwartfrage ist in Bayern ohnehin vorbelastet. Erstens befindet sich Bayern München im Jahr Eins nach Oliver Kahn. Wenn das mal kein Handicap für Klinsmann ist! Zweitens, so ist im Nachhinein zu hören, sei Klinsmann nie ein Michael-Rensing-Freund gewesen. Was angesichts dessen mangelnder Ausstrahlung und Strafraumbeherrschung für den Sachverstand des Trainers spricht. Doch er scheiterte wohl an Hoeneß, der Rensing jahrelang mit der Kahn-Nachfolge tröstete und nun bei ihm im Wort steht. Erst jüngst soll sich Klinsmann, laut SZ, durchgesetzt haben: "Jürgen, mach, was Du für richtig hältst!" Seitdem spielt Hans-Jörg Butt. Und erst jetzt, mit dem Rücken zur Wand, wird und kling Klinsmann offensiver.

Es ist der wesentliche Fehler, den Klinsmann begangen hat. Oder der in der Konstruktion Bayern/Klinsmann liegt: Er ist nicht der Reformator, der alles ändern will, wie ihm viele vorwerfen. Nein, er hat sich mit den Verhältnissen arrangiert. Er hat drei Viertel der Saison einen Torhüter aufgestellt, den er für ungeeignet hält – nur um des Friedens willen. Er hat sich von Rummenigge den geringgeschätzten Podolski ins Team reden lassen. Er hat seinen Mund gehalten, als ihm Landon Donovan verweigert wurde.

Der Klinsmann 2009 ist nicht der Klinsmann 2006. Seit seiner ersten Pressekonferenz für die Bayern gibt sich Klinsmann demütig und ehrfürchtig dem großen FCB gegenüber. Wie können Fans, Experten und Presse diesen klaren Tonwechsel gegenüber dem Nationaltrainer überhören, der beim DFB "keinen Stein auf dem anderen lassen" wollte? Wie können sie übersehen, dass Klinsmann mit Hoeneß, dem Repräsentanten des Establishments, auf der Bank Schultern schließt, Händchen hält?

Hoeneß und Rummenigge haben mit der Klinsmann-Verpflichtung Mut bewiesen. Und sie würden diesen Beweis erneuern, wenn sie an ihm festhalten. Mut deswegen, weil sie einen Mann beschäftigen (und gut belohnen), den sie einst bekämpft hatten und der aus verschiedenen Gründen den Bayern-Fans schwer zu vermitteln ist. Er setzte schließlich Kahn 2006 auf die Bank. Er verabschiedete sich schließlich 1997 mit den Worten: "Nie mehr Bayern!" Mut hat die Klubführung aber vor allem, weil sie sich selbst in Frage stellt. Doch zwischenzeitlich verließ es sie wohl, diesem Fremden die Freiheit zu gewähren, die er nötig hat. Ob er ihren Verein ans Licht führen würde oder in den Uefa-Pokal (was in München gleichbedeutend ist mit Untergang), weiß man nicht.

Reibungspunkt für viele, auch das ist bezeichnend für die Feindseligkeit ihm gegenüber, ist sein Motto: "Ich will jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen." Keine Frage, das hat er bislang nicht erfüllt. Aber was soll daran falsch sein, oder "arrogant", wie Günter Netzer klagt? Eigentlich sollte dieses Ziel eine Selbstverständlichkeit für einen Trainer sein. Immer ein Stückchen besser machen, ja was denn sonst? Genau genommen, also trainingswissenschaftlich, müsste es heißen: verbessern, die Form halten oder wenigstens den Formverfall verzögern. Aber wer will so kleinlich sein?

Man kann der Meinung sein, dass Jürgen Klinsmann kein guter Vereinstrainer ist. Dass er in seiner Mannschaft unnötige Konflikte geschürt hat und nun ohne Verbündete dazustehen scheint. Dass er mehr versprach, als er halten kann. Man kann der Meinung sein, dass Klinsmann nach dem 0:4 in Barcelona hätte entlassen werden sollen. Denn dieses Viertelfinale dürfte aufgrund seiner Einseitigkeit einmalig sein in der Champions-League-Geschichte. Linksverteidiger Christian Lell hätte ein Trainer von Weltformat nach zwanzig Minuten von der Aufgabe erlösen dürfen, sich von Lionel Messi vorführen zu lassen. Anfängerfehler, aus denen Klinsmann lernt? Oder soll er generell ungeeignet sein? Immerhin ist er auch für Höhepunkte wie das 5:1 in Stuttgart (Pokal) und das 2:1 gegen Hoffenheim verantwortlich, das wohl intensivste Spiel der Bundesligageschichte. Doch die Urteile über Klinsmann, den 44-Jährigen, klingen endgültig.

Diese Woche ist ein Trainer ein weiteres Mal gefeiert worden.
Weil er ins Halbfinale der Champions League eingezogen ist, obwohl er gleichzeitig noch eine Nationalmannschaft trainiert. Im Jahr 1993,als er etwa im Alter von Klinsmann heute war,verlor dieser Trainer ein Uefa-Pokal-Spiel in Karlsruhe mit 0-7.
Sein Name: Guus Hiddink.

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